Wo ist denn eigentlich das Gold geblieben? - eine Weihnachtsgeschichte

Sie hatten die Krippe bereits weit hinter sich gelassen. Der Stern am Himmel verblasste, und die Drei Könige ritten auf ihren Kamelen heimwärts Richtung Osten. Lange waren sie schweigend unterwegs gewesen. Erst jetzt fanden sie Worte, um sich über die Ereignisse der vergangenen Nacht auszutauschen: Der Knabe in der Krippe, einer von ihnen – ein zukünftiger König. Trotz der Einfachheit des Stalls und der übrigen Besucher ging eine Erhabenheit von diesem Kind aus. Die Begegnung würden sie wie einen Schatz für immer in ihren Herzen tragen.

Der Tag brach an, aber es war noch kalt. Balthasar wollte seinen Umhang etwas mehr über die Schultern ziehen, als er merkte, dass er ihn im Stall zurückgelassen haben musste. Ohne diesen königsblauen Umhang, Zeichen von Amt und Würde, konnte er nicht in seine Heimat zurückkehren. So trennte sich Balthasar von Melchior und Kaspar und ritt zurück nach Bethlehem.

Er wollte gerade in den Stall eintreten, da hörte er Maria und Josef miteinander reden:

«Das war eine seltsame Nacht. Einfaches Hirtenvolk und mächtige Könige standen gemeinsam vor unserem Kind.»
«Es sei ein Geschenk des Himmels. Ist das nicht jedes Kind?»
«Wie kann es sein, dass sogar Könige ihr Haupt neigen vor unserem Jesus?»
«Die teuersten Geschenke: Weihrauch, Myrrhe und Gold. Seltsame Geschenke für ein Neugeborenes.»
«Weihrauch und Myrrhe könnten uns als wertvolle Zutaten in der Reiseapotheke noch nützlich werden.»
«Aber was machen wir mit dem Gold? Wir könnten auf dem Heimweg in den besten Hotels übernachten. Nichts mehr mit Stall und einfachem Leben.» Maria entgegnete: «Mir ist nicht wohl dabei. Die Leute würden denken, dass wir auf unehrlichem Weg zu so viel Reichtum gekommen sind.» «Recht hast Du, Maria: So viel Gold passt nicht zu uns. Wir wären ein sicheres Ziel für Wegelagerer und Räuber. Und was würden die armen Leute von uns denken?!»

Balthasar wurde nachdenklich. Er wollte dem Kind das Wertvollste schenken, aber nun hatte er die junge Familie in Verlegenheit gebracht. Als er eintrat, erschraken Maria und Josef. Balthasar entschuldigte sich für die Störung, wollte den Umhang nehmen und wieder gehen. Doch dann sah er, wie das Kind, umhüllt von seinem Mantel, wohlig warm schlief. «Es war so kalt. Da haben wir uns erlaubt, den Umhang als Decke für unseren kleinen Jesus zu nehmen», entschuldigte sich Josef. «Das macht nichts», entgegnete Balthasar, als er die glückliche Familie so sah. «Bitte behaltet den blauen Umhang! Er wird euch mehr nützen als mein Gold.» So kam es, dass sich König Balthasar etwas fröstelnd zwar, doch glücklich, ein sinnvolles Geschenk gemacht zu haben, auf den Heimweg machte.

Auf dem Weg kam er durch viele kleine Dörfer und stiess dabei auf manche bedürftige Person. Es fiel ihm nicht schwer, von seinem Gold hier und da etwas abzugeben und damit Not zu lindern. Dabei hatte er das Gefühl, etwas von sich und zugleich von diesem Jesus weitergeben zu können. Schliesslich kam er zurück in seine Stadt, wo er davon erzählte, wie seine Begegnung mit Jesus sein Leben verändert hatte. Von nun an galten ihm nicht mehr Reichtum an Gold und Edelsteinen als Massstab, sondern der Reichtum des Herzens, der viel tiefer geht als alle materiellen Dinge der Welt.

Die heilige Familie aber war alsbald auf der Flucht nach Ägypten. Der königliche blaue Mantel bot Maria und dem Kind Schutz, Wärme und Geborgenheit.

Was immer ihr tut, das tut von Herzen. Tut es für Gott und nicht für die Menschen. (Kolosser 3,23)

Sibylle Baltisberger, Pfarrerin
Nadja Huser, Vikarin
Burkhard Wittig, Sozialdiakon
Peter Dietz, Pfarrer